Archivale des Monats Oktober 2024
in der Abteilung Dessau des Landesarchivs Sachsen-Anhalt:

Anschauungsmodelle aus dem Dessauer Philanthropin für die
Nachwelt


Im Mai 1910 eröffnete in Dessau im ehemaligen Palais Cohn-Oppenheim in der avalierstraße das städtische Landesmuseum. Neben Kunstsammlungen sollten hier u.a. auch Exponate zur Kultur- und Landesgeschichte gezeigt werden.
Bei der Erweiterung des Museumsfundus engagierte sich der Dessauer Oberbürgermeister Dr. Ernst Ebeling (1859-1932) in besonderem Maße. Im März 1911 bemühte er sich bei der Herzoglich Anhaltischen Regierung, Abteilung für das Schulwesen erfolgreich um die Ausleihe von Anschauungsobjekten aus der Lehrmittelsammlung des Philanthropins. Johann Bernhard Basedow (1724-1790) und Christian Heinrich Wolke (1741-1825) hatten das
Philanthropinum, eine „Schule der Menschenfreundschaft“, vor 250 Jahren, im Dezember 1774, gegründet, um ihre reformpädagogischen Ideen zu verwirklichen. Dazu gehörte die Erprobung neuer Lehrmethoden, die auch heute noch in der modernen Pädagogik praktiziert werden, wie beispielsweise das Prinzip der Anschaulichkeit. Die Schüler sollten Wissen nicht durch bloßes Auswendiglernen von Texten erwerben, sondern durch Anschauung und eigene Sinneswahrnehmung. Zu diesem Zweck kamen im Unterricht vielfältige Lehrmittel wie Bilder, Modelle, Naturalien, Lernspiele u.ä. zum Einsatz. Einige der Anschauungsmodelle wurden von Gönnern des Philanthropins gestiftet, andere vermutlich von den Schülern im Handfertigkeitsunterricht unter fachkundiger Anleitung einheimischer Handwerksmeister selbst hergestellt.

Nach Auflösung des Philanthropins 1793 wurde die Lehrmittelsammlung zunächst in der Dessauer Hauptschule, später im Friedrichs-Gymnasium aufbewahrt. Oberbürgermeister Ebeling vertrat die Ansicht, dass die Objekte in dem neuen „herrlichen“ Museumsbau der Nachwelt „viel mehr vor Augen geführt werden“ könnten, als es bisher möglich war. Eine
umfangreiche Liste der gewünschten Ausstellungsgegenstände ist heute noch in der Abteilung Dessau des Landesarchivs Sachsen-Anhalt überliefert. Als Archivale des Monats Oktober kann sie dort im Alten Landesarchiv Wasserturm in der Heidestraße 21 in Augenschein genommen werden.

Nur wenige der auf der Liste genannten Gegenstände haben den Zweiten Weltkrieg und die Folgezeit überdauert. Darunter ist das Modell einer Kirche zur Veranschaulichung der Wirkung eines Blitzeinschlages und der Funktion eines Blitzableiters, welches jetzt im Museum für Stadtgeschichte zu sehen ist.

Im Landesarchiv Sachsen-Anhalt sind nicht nur Dokumente zum Schicksal der Sammlung
des Philanthropins (https://recherche.landesarchiv.sachsenanhalt.de/query/detail.aspx?ID=258114) erhalten geblieben, sondern auch umfangreicher Schriftverkehr Basedows und anderer Pädagogen mit Fürst Franz von Anhalt-Dessau und fürstlichen Beamten über die Einrichtung der Schule, deren Unterrichtsinhalte und das Lehrpersonal.

Die Quellen stellen eine wichtige Ergänzung zu dem in der Wissenschaftlichen Bibliothek der Anhaltischen Landesbücherei im Stadtarchiv Dessau-Roßlau verwahrten Nachlass des Philanthropinums, den „Reliquiae Philanthropini“, dar. Sie können online recherchiert
(https://recherche.landesarchiv.sachsenanhalt.de/query/detail.aspx?id=1069882)
und auf Anfrage innerhalb der Öffnungszeiten des Lesesaals in Dessau
(Mi 9-17 Uhr, Do 9-19 Uhr) ausgewertet werden.

Kontakt: Dr. Hermann Kinne
Leiter der Abteilung Dessau
Heidestraße 21, 06842 Dessau-Roßlau
Tel. 0340/519896-0
Fax: 0340/519896-90
dessau@la.sachsen-anhalt.de
www.landesarchiv.

Liste gewünschter Exponate aus der Lehrmittelsammlung des Dessauer Philanthropins vom 28. Juli 1911“.

(Quelle der Abbildung: LASA, Z 116-2 Regierung Dessau. Abteilung Schulwesen, Nr. 181)

Kirchenmodell zur Veranschaulichung eines Blitzeinschlages und der Funktion eines Blitzableiters“

(Quelle: Abb. 14 zu dem Aufsatz: Lorenz, Hermann, Die Lehrmittel und Handarbeiten des Basedowschen Philanthropins, in: Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte XVI (1906), S. 303-332.)

Archivale des Monats Februar 2024
in der Abteilung Dessau des Landesarchivs Sachsen-Anhalt:

Der Bernburger Bürgermord am 16. März 1849


Vor fast 175 Jahren wurde mit dem „Bernburger Bürgermord“ das blutigste Kapitel der Revolution 1848/49 auf dem Gebiet des heutigen Landes Sachsen-Anhalts geschrieben. Ausgangspunkt dafür waren „Die tumultuarischen Vorgänge am 16. März 1849 in Bernburg wegen der Verhaftung des Lohgerbermeisters Joseph Calm“ (so der Titel einer im Landesarchiv verwahrten Akte). Nachdem gegen ihn bereits eine Untersuchung wegen Majestätsbeleidigung bei einer Volksversammlung in Peißen im Januar 1849 in die Wege geleitet worden war, berichtete wenig später das Justizamt Ballenstedt von einer am 11. März in Badeborn stattgefundenen Volksversammlung, in deren Anschluss die Volksmenge fahnenschwenkend mit Musik und angeführt von dem auf einem Pferd reitenden Calm durch die Stadt Ballenstedt zog. Die Lage vor Ort wurde als höchst explosiv eingeschätzt, so dass „ein Ausbruch der Leidenschaften täglich zu befürchten“ sei. Deshalb fand in der Wohnung des Ballenstedters Bürgermeisters eine Beratung zu erforderlichen Gegenmaßnahmen statt.

Am 16. März um 6.00 Uhr morgens wurde der noch im Bett liegende Calm verhaftet.
Als das publik wurde, versammelte sich vor dem Gerichtsgefängnis Bernburg eine große Menschenmenge und setzte dessen Freilassung durch. Daraufhin marschierte die Menge mit Calm an der Spitze zum Appellationsgericht, um die Freilassung gegen Zahlung einer Kaution auch rechtskräftig bestätigen zu lassen. Im Gerichtsgebäude wurde verhandelt, draußen stand das mittlerweile aufgezogene Militär den demonstrierenden Bürgern gegenüber. Die Frage, warum plötzlich das Militär auf Befehl Hauptmann von Trützschlers Gewehrsalven auf die Menschenmenge abgab, wobei es 13 Tote gab, scheint niemals Teil einer gerichtlichen Auseinandersetzung gewesen zu sein.
Dafür gingen die Tumulte mit Gefangenenbefreiung bis Ende des Jahres 1850 durch alle juristischen Instanzen. Letztendlich wurde Lohgerbermeister Calm wegen mangelnder Beweise in allen Anklagepunkten freigesprochen, während fast 50 Bürger schuldig gesprochen und zu teils mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden.

Landesarchiv Pressemitteilung Nr. 4 vom 29.01.2024

Für Interessenten besteht die Möglichkeit, einige bereitliegende Behörden- und Gerichtsakten zu diesem Fall während unserer Öffnungszeiten (Mittwoch und Donnerstag von 9:00-17:00 Uhr) einzusehen.
Kontakt: Dr. Hermann Kinne
Leiter der Abteilung Dessau
Heidestraße 21, 06842 Dessau-Roßlau
Tel. 0340/519896-0
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dessau@la.sachsen-anhalt.de
www.landesarchiv.sachsen-anhalt.de

Quelle: LASA, Z 18, C 9o Nr. 7 Bd. VIII

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